NaNoWriMo-Kurzgeschichte 5

Hallo und herzlich Willkommen zur vorletzten NaNoWriMo-Kurzgeschichte von mir! 😀 Ich habe ja schon ein paar Male erwähnt, dass ich Fantasy liebe! Das Genre lässt einem einfach unendlich viele Freiheiten beim Schreiben und ich kann meiner Fantasie freien Lauf lassen. Also werdet ihr wohl kaum überrascht sein, dass das hier mal wieder eine Geschichte aus dem Genre Fantasy ist. Aber am besten ist wohl, ihr lest selbst! 😀 Viel Spaß dabei! 😀

Ein Teil meiner fremden Welt

Mir war klar, dass ich hier etwas verbotenes tat. Leute wie ich, sollten das nicht tun. Leute wie ich sollten dort bleiben, wo sie hingehörten. Ich stammte aus einer anderen Welt, einer Art Paralleluniversum und hatte mich durch eines der Portale in die Menschenwelt geschlichen. Es fing eigentlich eher harmlos an. Ich war in den alten Archiven unterwegs und hatte mich wie gewohnt meiner Lieblingsbeschäftigung gewidmet, dem Lesen uralter Bücher. In unseren Archiven waren die unterschiedlichsten Schriften verschiedener Welten zusammengetragen und aufbewahrt worden. Keine andere Welt hatte so eine große Sammlung wie unsere. Wir waren am bewandertsten, was die Magie betraf und wir kannten uns unglaublich gut mit der Reise zwischen den Welten aus.
Allerdings gab es natürlich auch strikte Regeln, was diese Art der Reise betraf. Wir durften in der anderen Welt nicht gesehen werden, mussten uns für die Augen der dort ansässigen Bewohner komplett unsichtbar machen und es durfte auch nur eine gewisse Zahl ausgewählter Leute die Portale nutzen. Aus diesem Grund hatten eigentlich alle Leute, die ich näher kannte, noch nie etwas anderes gesehen als unsere Welt. Auch ich gehörte dazu. Ohne ein besonderes Schreiben kam man nicht einmal auf 50 Meter an eines der Portale heran. Die Portale waren gut abgesichert von mehreren eigens dazu ausgebildeten Wächtern, die auch genau wussten, wie man diese zu bedienen hatte.
Im Moment waren ungefähr 10 Portale bekannt und jedes einzelne befand sich in einem Gebäude, dass eigens zum Schutz dieser Vorrichtungen darum herum gebaut worden waren. Unser System war auf die Dinge aus anderen Welten angewiesen, das Wissen und die Lebensweise die dort stattfand. Diese Welt in der ich lebte, war im ständigen Wandel und entwickelte sich ununterbrochen weiter.
Jedenfalls saß ich nun auf einem fuchsrot gepolsterten Sofa in der hintersten Ecke des Kellers, den das Archiv hatte. Hier unten waren die besonders alten Bücher aufbewahrt und ich durfte auch nur hier rein, weil mein Großvater den Archiven vorstand und er immer Wert darauf gelegt hatte, dass wir so viel wussten, wie wir eben in unseren Kopf reinkriegen konnten.
Geschwister hatte ich keine und meine Mutter war vor 10 Jahren an einer Krankheit gestorben, die durch zu viel Arbeiten verursacht worden war. Meinen Vater kannte ich gar nicht und niemand in der Familie sprach darüber. Es war einfach ein Thema, dass jeder mied und mir war es eigentlich egal, weil ich mir einfach immer vorgestellt hatte, dass mein Vater ein Prinz aus einer anderen Welt war und seine Familie verlassen musste um uns zu schützen. Ich liebte Märchen nun einmal unglaublich und auch die alten Sagen und Legenden. Was auch der eigentliche Grund war, warum ich mich immer in die hinterste Ecke der Archive verkroch, wo ich dann meine Nase in so große alte Wälzer stecken konnte, dass mein Halber Körper dahinter verschwand.
Ich liebte es einfach mich in andere Zeiten und andere Gepflogenheiten hineinzuversetzen. Dort konnte ich einfach die Sorgen und Ängste dieser Welt vergessen. Allerdings hätte mein Großvater natürlich lieber, wenn ich mir auch die moderneren Schriften durchlesen würde und mich mehr auf die Schule konzentrierte. In dieser Welt ging die normale Schule nämlich bis zu einem Alter von dreiundzwanzig Jahren. Erst dann wurde man in einen Beruf eingeteilt, abhängig davon wie gut man in den vorgegebenen Bereichen in der Schule war. Meine Stärke war alles Antike und was man sich sonst noch so anlesen konnte. Bücher halt und alte Papiere, wie auch schon in den Generationen vor mir. Eigentlich gab es keinen einzigen in unserer Familie, der nicht in den Archiven gearbeitet und nahezu auch in ihnen gelebt hatte.
Jedenfalls saß ich wie gewohnt in meiner Ecke mit einem unmöglich großem Buch vor meiner Nase. Die letzten Tage waren ziemlich stressig gewesen, weil wir Unmengen an Tests geschrieben hatten und von mir natürlich erwartet wurde, dass ich gerade in dem Bereich Bücher und Archive besonders gut war. Gerade zu solchen Zeiten sah ich meine Zeit hier unten dann als den lebensrettenden Freizeitausgleich, auch wenn andere sicher lieber etwas anderes getan hätten, als immer weitere Bücher zu wälzen. Aber das hier war nun einmal mein Rückzugsort.
Ich saß schon ein paar Stunden hier unten und der riesige Wälzer in meinen Armen wurde allmählich zu schwer, weswegen ich mich zwang nur noch den einen Absatz zu lesen und das Buch dann zu einem der überladenen Tische zu schleppen. Dort legte ich es so vorsichtig und leise wie ich konnte, wie es bei dem Gewicht nun einmal möglich war, an einer freien Stelle ab. Dennoch klang das dumpfe Geräusch des Buchrückens auf dem alten Holz unnatürlich Laut in meinen Ohren nach. Einen Moment holte ich tief Luft, saugte den leicht abgestandenen Geruch von Staub und uralten Seiten in mich ein, versuchte nach der doch größeren Anstrengung wieder ein wenig zu Atem zu kommen. Schließlich drehte ich mich von meiner letzten Lektüre weg und wandelte durch die kleinen Gassen, welche die Regale bildeten. Im Keller befanden sich nicht nur die uralten Sagen und Legenden aus den unterschiedlichsten Welten, hier waren auch Familiengeschichten archiviert. Kleine lustige Anekdoten, größere gesellschaftliche Ereignisse oder auch Familiengeheimnisse, wurden ebenfalls hier unten aufbewahrt.
Mit den Fingern strich ich im vorübergehen über die Buchrücken. Manche waren ganz einfach gehalten, andere geschmückt, bedruckt oder sogar mit Gold und Edelsteinen beschlagen. Es gab gut erhaltene Buchrücken, die aussahen, als wären sie neu und es gab welche, bei denen man schon Angst haben könnte oder sollte, dass sie einfach zu Staub zerbröseln, wenn man auch nur daran dachte sie zu berühren. Bücher waren das kostbarste Gut in unserer Welt. Auch wenn wir inzwischen unsere Ereignisse und andere wichtige Dokumente auf andere Art festhielten, damit sie nicht irgendwann einem Feuer oder ähnlichem zum Opfer fallen konnten, waren die Bücher unser größter Schatz den wir hatten.
Langsam lief ich weiter und kam immer näher zu den Reihen, wo die alten Akten lagen. Ich blätterte auch in diesen ganz gerne herum, weil ich die Steckbriefe sehr inspirierend fand, die manche Leute von sich selbst geschrieben hatten in den anderen Welten.
Ich musste natürlich zugeben, dass ich eigentlich nicht so ein sozialer Mensch war… Ich verbrachte die meiste Zeit hier, wenn ich nicht gerade in der Schule war und war auch zu schüchtern um irgendwann mal ein Date oder so zu haben. Zum Ärger meines Großvaters. Natürlich freute er sich, wenn ich so viel Zeit hier verbrachte, weil das für ihn hieß, dass ich diesen Job sehr sicher bekommen würde, sobald ich die Schule beendet hatte. Allerdings wollte er auch unbedingt, dass ich bald eine Familie gründete, damit ich meinen Kindern dieses Wissen weitergab, weil er nicht einsah, irgendwann eine andere Familie diese Archive führen zu lassen.
Seufzend setzte ich mich an den Tisch in der Ecke mit den Akten. Wie gewöhnlich war dieser bereits mit Kisten vollgestellt und auf der Platte gerade mal so viel Platz, dass man eine Akte auf einmal durchblättern konnte. Ich wühlte mich durch eine der Kisten auf der Suche nach etwas interessanten. Vielleicht wartete ja eine romantische Geschichte nur darauf, von mir gelesen zu werden oder ein Skandal! Ich mochte auch ungeklärte Diebstähle und dergleichen. Einfach weil diese Akte voll von Abenteuern waren, während mein eigenes Leben im Vergleich dazu so leer und grau erschien.
Ich betrachtete die Namen die darauf standen, den Zustand der Mappen oder ob ein Symbol darauf abgebildet war, welches ich noch nicht kannte.
So saß ich eine gefühlte Ewigkeit da, wühlte mich von einer Kiste zur nächsten. Ich hatte gerade die, meiner Meinung nach, letzte Akte einer Kiste angesehen und wollte den Stapel, welchen ich solange auf einer der schon vollen Kartons abgelegt hatte (mein Großvater würde mich umbringen, wenn er das sehen könnte) zurück an seinen Platz packen, als mein Blick noch einmal in die Kiste glitt. Ich blinzelte ein- zweimal, denn als ich vorhin den ganzen Stapel herausgehoben hatte, war ich mir eigentlich sicher, dass ich alles erwischt hatte.
Aber tatsächlich lag da noch eine Akte am Boden des Kartons. Vorsichtig hob ich die Mappe hinaus, setzte mich zurück auf meinen Stuhl und lehnte mich zurück. Die Pappe hatte leichte Einrisse, sah fleckig aus und musste schon älter sein. Ich wendete die Mappe von einer zur anderen Seite, aber im Gegensatz zu den sonstigen war hier kein Symbol daraufgemalt und es stand auch kein Name geschrieben. Verwirrt runzelte ich die Stirn. Das war ungewöhnlich. Normalerweise wurden die Namen der Leute um die es ging auf den Deckel geschrieben, aber hier stand nichts. Nicht einmal ein Hinweis auf die Person um die es gehen würde. Alles in mir prickelte aufgeregt. Jetzt war mein Abenteuergeist erwacht.
Ich schlug also die Mappe auf und… blinzelte wieder. “ Hä?“
Mein Blick ruhte auf dem Foto eines vierjährigen Mädchens, das ein anderes identisch aussehendes Mädchen im Arm hielt. Das war an sich eigentlich nichts ungewöhnliches, Zwillinge gab es auch in dieser Welt ein paar. Meine Verwunderung rührte daher, dass ich direkt in mein eigenes Gesicht als Vierjährige schaute. Ich war Einzelkind! Großvater und meine Mutter hatten das immer wieder beteuert! Aber hier war ein Foto von mir, wie ich als Vierjährige ein genau gleich aussehendes Mädchen in den Armen hielt… Ich las mir den Steckbrief durch. “ Tamara Rickarda Tenin.“ Leise kam mir der Name über die Lippen. Er fühlte sich unbekannt an, zumindest bis auf den Nachnamen, denn das war auch mein eigener. Tenin… Ich lass weiter. Geburtsdatum und Geburtsort waren identisch und ich kannte sogar die Hebammenstube in der wir geboren worden waren. Ich las weiter und keuchte schließlich auf. “ Auf dem beigelegten Foto mit ihrer Zwillingsschwester Fay Katha Tenin zu sehen. Wurde in eine andere Welt geschickt, da die Mutter auf einer Mission eine Affäre mit einem Menschen von dort hatte und das Risiko zu groß ist, dass noch andere Menschen von dort von unserer Welt und den Portalen erfuhren.“
Ich ließ die Akte auf meinen Schoß sinken und starrte mit offenem Mund das Bild mit mir und meiner Zwillingsschwester an. Ich hatte eine Zwillingsschwester!
Ich sprang auf, war drauf und dran mit der Akte in meiner Hand zu meinem Großvater zu stürmen und ihn zur Rede zu stellen. Doch dann besann ich mich eines besseren. Mein Großvater hatte diese Tatsache schon so lange vor mir geheim gehalten, dass er es jetzt vermutlich einfach abstreiten würde und irgendwo anders hingehen konnte ich auch nicht, weil sonst sicher ein Politiker darauf aufmerksam werden würde. Ich setzte mich also wieder hin, zwang mich dazu, ruhig ein und aus zu atmen, dann sah ich noch einmal die Akte genau durch, filterte alles heraus, was für mich wichtig sein könnte und tatsächlich nahm ein klarer Plan in meinem Kopf Gestalt an.
Das war jetzt einige Tage her. Es war gar nicht so einfach gewesen, irgendwie an die Portale heranzukommen und herauszufinden wie man sie nutzte, aber ich hatte es tatsächlich geschafft. Nun stand ich unsichtbar in einer der Straßen in der anderen Welt und beobachtete das Haus in dem mein Zwilling jetzt wohnen musste. Es war schon kühl draußen, weswegen ich in meiner dünnen Jacke leicht fröstelte, dennoch wartete ich. Selbst wenn es noch mehr Stunden dauern würde, würde ich hier warten, bis ich wenigstens einen Blick auf meine Zwillingsschwester geworfen hatte. Großvater würde sicher nur so toben, wenn er herausfand, was ich getan hatte…

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